http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-08/smartstax-eu-monsanto
Monsanto: Super-Genmais darf nach Europa
Der Agrarkonzern Monsanto darf bald den mehrfach gentechnisch manipulierten Mais Smartstax in die EU importieren. Kritiker warnen: Er ist kaum getestet.
Biologin im Versuchslabor von Monsanto in Missouri/USA
Die EU-Kommission wird spätestens im Oktober dem amerikanischen Agrarkonzern Monsanto den Import des gentechnisch veränderten Mais' SmartStax erlauben. "Die Entscheidung liegt bei der EU-Kommission und diese wird dem Import im September oder Oktober zustimmen", sagte ein Sprecher des EU-Verbraucherschutzkommissars Tonio Borg auf Anfrage von ZEIT ONLINE. Es habe zuvor ein "stringentes, wissenschaftliches Bewertungsverfahren" gegeben.
SmartStax ist ein Super-Genmais der US-Agrarfirmen Monsanto und Dow Agroscience und wird in den USA seit 2011 angebaut. Er kombiniert zwei bereits gentechnisch veränderte Maissorten. Die neue Sorte ist extrem umstritten, weil sie nicht nur gegen zwei Unkrautbekämpfungsmittel resistent ist, sondern auch Gifte gegen sechs verschiedene Insektenarten wie etwa den Maiszünsler bilden kann. Landwirte erhoffen sich höhere Erträge und einen einfacheren Einsatz von SmartStax.
Kritiker warnen dagegen vor unklaren Folgen für die Umwelt und den Menschen. "Keine andere bereits zugelassene Pflanze enthält so viele gentechnisch veränderte Bestandteile", sagt Christoph Then von der Gentechnik-kritischen Beratungsfirma Testbiotech. "Es ist völlig ungeklärt, wie sie zusammenwirken und welche Folgen das langfristig hat."
Seit Jahren schon streiten sich Behörden, Ministerien und Genkritiker über die Zulassung von SmartStax. Monsanto und Dow Agroscience hatten im Jahr 2008 die Vermarktung in der EU beantragt. Damit wird SmartStax zwar nicht auf Europas Äckern angebaut, kann aber als Maissilage für Tiere oder in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommen.
Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA kam im Jahr 2010 in einer Studie zu dem Schluss, dass SmartStax "so sicher sei wie konventionell gezüchteter Mais und kommerzielle Varianten, wenn man sich die möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier und die Umwelt anschaut". Die Studie wurde ein Jahr später noch einmal ergänzt, kam aber erneut zum gleichen Ergebnis: Es spreche nichts gegen eine Vermarktungsgenehmigung.
Then kritisiert vor allem die fehlenden Praxistests und spricht von "gravierenden Lücken in der Sicherheitsbewertung von SmartStax". Zwar wurden die einzelnen Ursprungs-Genpflanzen einem 90-tägigen Fütterungstest unterzogen. SmartStax selbst wurde aber nie in Europa an Tiere im Vorfeld verfüttert, um wissenschaftlich die Folgen abzuschätzen.
Die EU-Kommission sieht darin kein Problem. Die EFSA habe keine Notwendigkeit gesehen, eine 90-tägige Fütterungsstudie zu machen, sagt ein EU-Sprecher.
Then vermutet dahinter ein erfolgreiches Lobbying der Agrarkonzerne. "Die EU-Behörden haben eine zu große Nähe zur Agrarindustrie, welche die Kosten für die Risikountersuchung möglichst gering halten will", sagt er. Die Entscheidung der EU sei exemplarisch: Sie zeige, dass der EU-Kommission Verbraucherschutz weniger wichtig sei als die Interessen der Industrie und Monsanto zu schützen.
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Ilse Aigner stimmte aus Prinzip gegen die Zulassung
In Deutschland hält SmartStax gleich drei Ministerien auf Trab: Das Verbraucherschutzministerium unter Ministerin Ilse Aigner (CSU), Philip Röslers Wirtschaftsministerium (FDP) und das Gesundheitsministerium (FDP). Die EU-Spielregeln sehen eine Zustimmung der nationalen Regierungen vor. Doch die drei Minister konnten sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen.
Das Verbraucherschutzministerium hatte gegen die Zulassung votiert. Gerade in Aigners Heimatland Bayern ist Gentechnik verpönt. Aigner will, so sieht es auch der Koalitionsvertrag vor, den Bundesländern ermöglichen, eigene Mindestabstände für Äcker mit Genpflanzen zu konventionellen Feldern durchsetzen. Solange die Bundesregierung sich nicht auf diese sogenannte Flexibilisierung einigen kann, stimmt das Verbraucherschutzministerium in Gentechnikfragen auf EU-Ebene aus Prinzip mit Nein – eine "politischen Entscheidung" nennt der Sprecher daher das Aigner-Nein.
FPD-Ministerien stimmten für Zulassung
Anders sieht die Haltung der FDP regierten Ministerien aus, die sich dem Votum der EFSA anschlossen. Das Wirtschaftsministerium verweist in einer Stellungnahme an ZEIT ONLINE auf den Koalitionsvertrag, in dem sich Union und FDP dazu bekannt hätten, "die verantwortbaren Potenziale der Grünen Gentechnik" nutzen zu wollen, wobei der Schutz von Mensch und Umwelt weiterhin "das oberstes Ziel des deutschen Gentechnikrechts" bleibe.
Der Streit führte dazu, dass sich die Bundesregierung in den zwei entscheidenden EU-Sitzungen über die Zulassung im Juni und Juli enthalten hat. In beiden Besprechungen wurde keine qualifizierte Mehrheit erreicht – weder für noch gegen eine Importzulassung. Das EU-Regelwerk sieht vor, dass die Kommission dann im Alleingang entscheidet. Dieses Votum wird nun im Sinne von Monsanto ausfallen.
Monsanto: Zulassung "im Interesse des allgemeinen Welthandels"
Das Unternehmen wollte sich gegenüber ZEIT ONLINE nicht äußern, teilte aber mit, dass die Produkte, die von verschiedenen internationalen Behörden als sicher bewertet wurden und zugelassen seien, "im Interesse des allgemeinen Welthandels auch für den Import in die EU zugelassen werden" sollten. Die Sicherheit von Monsantos Produkten werde "durch eine riesige Datenmenge und einer Vielzahl an Studien belegt".
In den USA ist der Anbau gentechnisch veränderter Nutzpflanzen inzwischen Standard, nach Angaben der Datenbank TransGen sind dort 90 Prozent der angebauten Maispflanzen manipuliert. In Europa dagegen stagniert der Anbau auf niedrigem Niveau. Insgesamt sind zurzeit rund 30 manipulierte Maissorten für die Verarbeitung zu Lebens- und Futtermittel zugelassen. Aber nur der Monsanto-Mais Mon810 und die Bayer-Kartoffel Amflora dürfen auch angebaut werden. Wegen breiter Proteste hatte Bayer 2012 die Vermarktung von Amflora eingestellt. In Deutschland und Frankreich ist zudem der Anbau von Mon810 wegen Sicherheitsbedenken verboten.